Doppeltes Herzstück
Die Liebe in der Literatur – und auf dem Teller
Der angerichtete „lauwarme Spargel an gepfefferten Erdbeeren auf der Kressewiese“ wirkt so bunt und frisch wie eine Sommerliebe, so grasgrün, so fruchtig rot. Das soll er auch. Denn in der Endrunde des Literaturwettbewerbs von Otger Holleschek und Matthias Schlick werden die Geschichten gelesen, gehört – und gegessen. Am besten hat das Dallmayr- Koch Mario Schurig bei dieser Vorspeise umgesetzt, denn die zugehörige Geschichte erzählt von Küssen auf einer Sommerwiese. In der Musik der Elektro-Formation Superstrings zirpen die Grillen dazu. Und die Augen bekommen noch ihren eigenen Schmaus: Die Trafohalle ist in roten Samt gekleidet, von der Decke hängen Kronleuchter, auf den weiß gedeckten Tischen stehen massige Kerzenständer. Vor allem aber tragen die Schauspieler Götz Otto und Sophie Engert die Geschichten vor – und die beiden umweht nicht gerade der trockene Staub von Bibliothekssälen.
Der mittlerweile siebte „Wettbewerb für ungehörte Stimmen“ des Veranstalterduos Holleschek/Schlick steht unter dem Motto „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ – also drehen sich die 270 eingesandten Kurzgeschichten um nichts als die Liebe. „Wenn man alle Einsendungen gelesen hat, weiß man ein bisschen besser, was die Deutschen, Österreicher und Schweizer unter Liebe verstehen“, sagt Holleschek. Und weist die Gäste darauf hin, dass ein Ringfinger, der länger ist als der Zeigefinger, auf Untreue hindeute. Was im Saal sofort zu nicht endenwollendem Aufruhr führt, in dem die weitere Ansprache untergeht. Die besten vier Geschichten hat eine Jury aus Journalisten, Literaturwissenschaftlern und Filmproduzenten ausgewählt, den Gewinner wählt das Publikum. Und das weiß nach dem Vortrag einmal mehr, was Männer und Frauen über Liebe denken – und dass es da nur wenig Übereinstimmung gibt: Die weiblichen Autoren beschreiben ein Gefühl, was es mit einem macht und warum. Für die Männer ist die Liebe ein Gefängnis oder Sex. Siegerautor Kai Windig erzählt in seiner Story amüsant, wie es ist, als Jugendlicher der erfolglose Dicke und später Betriebsratsvorsitzender von VW zu sein. Die Liebe ist hier sehr körperlich, das danach gereichte Dessert eine „Hochstapelei von Schokolade im Tränenmeer“. Über Windig erfährt man leider nicht mehr als seinen Namen – er ist nicht gekommen, um seinen 500 Euro-Preis entgegenzunehmen. Das Publikum zuckt beim Hauptgang kurz zusammen, als „ein Herzstück“ vom Rind angekündigt wird. Damit sind dann zum Glück keine Innereien gemeint – bei aller Liebe.