Träume unterm Junimond
Viel Applaus und eine lässige Party: Premiere des Films "crazy" nach dem gleichnamigen Buch
"Ich war lange nicht mehr verliebt. Seit ich fünfzehn war. Das nervt mich. Ich bilde mir kurz ein, ich wäre verliebt, aber dann ist es doch nur Interesse oder Lust. Blöd. Schreibst Du, um Mädchen kennen zu lernen?"
"Nein. Außerdem habe ich bei "crazy" gemerkt, dass das nichts bringt. Die verlieben sich nicht in mich, sondern in was ganz anderes." Ein Dialog zwischen dem Schauspieler Robert Stadlober, 18, und dem Autor Benjamin Lebert, 18. Eine Unterhaltung, die im wahren Leben stattgefunden hat – vor den Dreharbeiten zu "crazy", als der Hauptdarsteller Stadlober den "echten" Benjamin, den Autor des gleichnamigen Bestsellerromans, kennen lernen sollte. Am Dienstag Abend war Premiere von "crazy", der Verfilmung der autobiografischen Erzählung des halbseitig gelähmten Benjamin und seiner pubertierenden Freunde im Internat. Den Reaktionen im MaxX-Kino nach zu schließen, kommt der Film auch jenseits der 30 gut an. Schließlich kann da jeder so richtig die Qualen des Erwachsenwerdens nacherleben: von Liebeskummer, Melancholie, Elternstress bis zu grauenvollen Mathe-Prüfungen. Schon beim Vorspann applaudierten die knapp tausend Premierengäste, und bei Filmende wurde jeder, der auf die Bühne ging, ausgiebigst bejubelt. Und das waren viele – angefangen bei den sehr jungen Schauspielern, den Mitgliedern der Teenie-Band "Echt", die den Titelsong "Junimond" von Rio Reiser geliefert haben, Regisseur Hans-Christian Schmid, bis zu den Produzenten Jakob Claussen und Thomas Wöbke, welcher meinte: "Bei diesem Film habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr jung bin." Besonders schön war auch bei den Premierenfeierlichkeiten zu beobachten, wie die neue Generation von Schauspielern tickt: Während Gäste wie Katja Flint oder Lisa Seitz sich fleißig in Szene setzten und für Fotos posierten, machten die "crazy"-Darsteller diesen Zirkus nicht mit und prusteten: "Wir wollen keine Stars werden." Später dann in der Glyptothek eine schöne, entspannte Premierenparty, bei der man sich VIP-Bereiche und VIP-Getue gespart hatte. Statt fetter Zigarrenschwaden zog dann und wann ein Hauch Cannabis durch den Innenhof, die "Stars des Abends" holten sich selber ihr Bier, tanzten und hatten einfach Spaß. Anzufügen wäre noch folgender Dialog zwischen Stadlober und Lebert: "Ich träume davon, eines Tages ein großer Schauspieler zu sein, der nach seinem Tod einen Nachruf in der Tagesschau bekommt. Uns so mit 65, da hätte ich gerne ein Haus. Da sitze ich dann und zünde mir eine Zigarre an und trinke ein Glas Rotwein. Dann kommen meine zwei Kinder und meine Frau."
"Die ist dreißig und sehr hübsch."
"Ja, genau. Woher weißt Du das?"
(Süddeutsche Zeitung 08.06.00 / Ulrike Heidenreich)